Ukraine-Krieg: Kanadier zeigt sich auf Twitter als Kämpfer – alles gefälscht | STERN.de

2022-09-17 08:07:26 By : Mr. Wenliang Shao

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Nach Angaben der ukrainischen Regierung aus dem Juni unterstützen Freiwillige aus 55 Staaten die Armee im Kampf gegen Russland. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte kurz nach dem russischen Angriff Kämpfer aus dem Ausland dazu aufgerufen, sich der Ukraine anzuschließen.

Ein Sprecher der Internationalen Legion erklärte, dass vor allem US-Amerikaner und britische Freiwillige im Einsatz seien, auch einige Deutsche sind ins Kriegsgebiet gereist. Einige der freiwilligen Kämpfer berichten auf Social Media über ihre Einsätze – doch nicht immer sind ihre Posts glaubwürdig.

Auch ein Kanadier, der sich selbst "Steve" nennt und auf Twitter als "Canadian Ukrainian Volunteer" unterwegs war, behauptete, in der Ukraine gegen Putins Armee zu kämpfen. Auf seinem Account postete er Selfies von sich in Kampfmontur, Bilder seiner Waffen und Videos, die Kampfhandlungen zeigen sollten. Etwa 120.000 Menschen folgten ihm.

Erst nach Monaten fielen anderen Usern Unstimmigkeiten in seinen Tweets auf – bis klar wurde: Der gesamte Account war eine Fälschung, der angebliche Soldat war nie in der Ukraine im Einsatz. Sein Konto wurde von Twitter gesperrt.

Zunächst wurden einige User misstrauisch, weil sie die Tweets des Kanadiers als übertrieben, teilweise beinahe filmreif empfanden. Mit der Realität des Krieges hatten sie ihrer Ansicht nach wenig zu tun. Vor allem ein Nutzer mit dem Namen "Kung Flu Panda" begann daraufhin, die Tweets genauer unter die Lupe zu nehmen. Dabei machte er einige Entdeckungen, die klar darauf hinweisen, dass es sich um einen Hochstapler handelte.

Bei dem Magazin, das der Mann angeblich für seine AK-47 verwendete, handelte es sich um eine Replika, die oft bei Filmproduktionen verwendet wird – auf Amazon lässt sich die Nachbildung für nur 27,50 Euro erwerben. Die Fälschung fiel schließlich Nutzern auf, auch wenn sie den Originalmagazinen durchaus ähnlich sieht.

Auch die Waffe selbst, mit welcher der angebliche Soldat gern posierte, war nicht echt. Stattdessen hielt er ein Softair-Gewehr mit Schalldämpfer in die Kamera, das ebenfalls relativ günstig im Internet zu haben ist. Zudem gelang es einem misstrauischen User, zu zeigen, dass der Helm des Kanadiers genauso aus dem Sortiment von Internet-Shops stammte und keineswegs echte Militärausrüstung war. Zum Beispiel stimmte das Material der Gurte nicht überein. Für manche seiner Tweets hatte er auch Bilder von anderen Accounts benutzt.

Längst hatten auch andere User Lunte gerochen – und auch der vorgebliche kanadische Freiwillige hatte mitbekommen, dass ihm jemand auf den Fersen war. Um seine Echtheit zu beweisen, postete er Videos aus dem Kampfgebiet: Schnell kam jedoch heraus, dass er auch hier nur Clips von anderen Twitter-Accounts verwendet hatte.

Das Material war also echt, jedoch nicht von ihm selbst gefilmt worden. Der endgültige Beweis gelang schließlich über die IP-Adresse. Ein User stellte ihm eine Falle: Er schickte dem Fake-Soldaten per privater Nachricht einen Link und konnte seinen Standort herauslesen, sobald dieser ihn angeklickt hatte. Das Ergebnis: Statt in der Ukraine befand sich der Mann in Ontario, Kanada. Daraufhin sperrte Twitter den Account.

Warum der Kanadier, dessen wahre Identität unbekannt ist, solche Mühen auf sich genommen hat, um vorzutäuschen, dass er ein Kämpfer in der Ukraine sei, ist unklar. Twitter-User weisen zu seiner Verteidigung darauf hin, dass er niemals um Spenden gebeten oder sich bereichert habe. Offenbar war der Mann lediglich auf Aufmerksamkeit und Anerkennung im Internet aus.

Quellen: "Evening Standard" / Kung Flu Panda auf Twitter / NexusIntel auf Twitter

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