Kawasaki Z900 SE vs. Yamaha MT-09 SP Rennstrecken-Test 2022

2022-07-30 08:06:51 By : Ms. Astrid Yang

Kawasaki spendierte ihrer neuen Z900 SE Variante ein einstellbares Öhlins Fahrwerk und darüber hinaus kräftigere Bremsen. Ein würdiger Endgegner wäre, wie wir meinen, die Yamaha MT-09 SP. Das beliebte Dreizylinder-Nakeds erfuhr im Vorjahr ebenfalls eine Veredelung durch Schwedengold. Mex und NoPain testen die beiden veredelten Mittelklasse-Nakeds bei den 1000PS Trackdays 2022.

Kawasakis Verkaufsschlager Z900 ist als stabiles, flinkes und unkompliziertes Mittelklasse-Naked mit einem markant aggressiven Auftritt bekannt. Die Fahrwerkskomponenten sind alltagstauglich abgestimmt und vermitteln ein sattes und präzises Fahrgefühl, womit die sportliche Kurvenhatz ebenso Spaß macht wie der Slalom durch den Großstadtdschungel. Dennoch erntete der Vierzylinder immer wieder mal Kritik bezüglich seines verbauten Federbeins - sowohl wegen der beschwerlichen Federvorspannung als auch in Ermangelung fehlender Einstellmöglichkeiten für den hypersportlichen Einsatz auf der Rennstrecke. Als logischer Schritt spendierte Kawasaki ihrer neuen Z900 SE Variante das einstellbares Öhlins Fahrwerk und potentere Bremsen. Nun stellt sich die Frage, wie gut diese neuen Komponenten unter starker Belastung auf der Rennstrecke performen.

Die vordere Bremsanlage der Z900 SE wurde mit Brembo M4.32 Monobloc-Bremszangen und 300 mm Brembo-Doppelscheiben aufgewertet. In Kombination mit den neuen Stahlbremsleitungen und dem radialen Nissin Hauptbremszylinder ergibt sich eine wahrlich brachiale Bremsleistung, mit der auch die sportlichsten Fahrer auf der Rennstrecke ihr Auslangen finden dürften. Eine radiale Bremspumpe von Brembo wäre selbstverständlich noch das I-Tüpfelchen gewesen, aber Dosierung und Druckpunkt gingen auch unter Leistungsdruck mit der Nissin vollkommen in Ordnung.

Yamahas MT-09 SP kontert in puncto Verzögerung mit einer ebenso modernen Bremsanlage inklusive radial betätigtem Bremszylinder, 4-Kolben Bremssätteln und einer Doppelscheibe mit 298 mm Durchmesser. Klares Urteil beider Tester: Unentschieden, wenngleich sich die Yamaha mit fahrfertigen 190 Kilogramm gegenüber der um 22 kg schwereren Kawa doch ein wenig leichter tat.

Neben der feschen Sonderlackierung sticht einem am SE-Modell sofort das neue Öhlins S46 Federbein mit hydraulischem Federvorspannungsversteller ins Auge. Dieses verfügt über einen ø46 mm Hauptkolben sowie durch einen schwimmenden Kolben getrennte Innenkammern für Öl und Gas für mehr Grip und besseres Handling. Die besonders auf der Rennstrecke wichtige Zugstufe ist nunmehr einstellbar und auch die Vorspannung lässt sich werkzeuglos per Drehregler an Sozius oder Gepäck anpassen. Eine Druckstufeneinstellung sucht man allerdings am Öhlins-Federbein vergebens. Vorne blieb die 41 mm Upside-Down-Gabel prinzipiell die gleiche, erhielt aber eine goldene Eloxierung sowie eine an das Federbein optimierte Abstimmung.

Bei der MT-09 SP zeigte sich ein ähnliches Bild. Obwohl die Gabel in herrlichem Gold glänzt und ihre Holme DLC-beschichtet (Diamond like Carbon) wurden, liefert Kayaba, wie auch bei der Standardversion, die Dämpfungstechnologie. Das Federbein stammt wie bei der Kawa von Öhlins, ist hingegen komplett einstellbar - sprich: in der Federvorspannung, Zugstufe und auch der Druckstufe. Die MT-09 SP kann hier also mit einem hochwertigeren Monofederbein punkten. Dennoch überzeugten beide Bikes mit hervorragender Stabilität bei hohem Tempo und über Bodenwellen: Unentschieden.

Bevor wir uns nun den Fahreindrücken auf der Rennstrecke widmen, werfen wir noch einen Blick auf die technischen Unterschiede.

In Bezug auf ihre Leistungsentfaltung zeigten sich beide Bikes am Ring alles andere als "untermotorisiert". Kawasakis 125 PS starker Reihen-Vierer gefiel bereits aus niedrigen Drehzahlen mit viel Kraft und brachialer Beschleunigung. Dazu spielte uns das relativ kurz übersetzte und knackige Getriebe optimal in die Karten. Einzig die fehlende Option auf einen Quickshifter, geschweige denn Blipper, kann offen und ehrlich als Niederlage bezeichnet werden.

Obwohl der Yamaha am Papier rund 6 PS Leistung auf die Kawasaki fehlten, ließ sich die MT-09 SP nicht weniger schlampig um den Ring hetzen. Das Euro5 Update schadete dem Motor in keinster Weise und das verbesserte Getriebe mit Quickshifter tat sein Übriges. In der Realität begeisterte uns der 889 Kubik große Dreizylinder mit seinen 119 PS, einem direkten Ansprechverhalten und der brutalen Leistungsentfaltung. Und nicht zuletzt auch wegen seines um 22 kg niedrigeren Gesamtgewichts gegenüber der Kawa. Ob 4- oder 3-Zylinder, Feuerwerk oben raus oder Druck aus dem tiefen Keller - das bleibt selbstverständlich eine Frage des persönlichen Geschmacks. Daher: Unentschieden.

Dank der geänderten Fahrwerksabstimmung ist die Z900 SE zu einem sprichwörtlichen Sorglospaket herangereift und sollte mit ihrem präziseren Fahrverhalten auch anspruchsvollste Trackday-Piloten zufriedenstellen. So tauchte beim Beschleunigen das Heck spürbar weniger ein, der Radius blieb überragend eng und vom angesprochenen Mehrgewicht bekamen wir beim Anrauchen und Umlegen erstaunlich wenig mit. Die Bremsanlage arbeitete großartig und überraschte mit ihrem starken Biss. Auch die Bereifung mit Dunlop Roadsport 2 war über jeden Zweifel erhaben.

Mindestens genauso scharf funktionierten die Bremsen an der Yamaha und auch die Bridgestone S22 Reifen können mit nur einem Adjektiv beschrieben werden: "Grenzgenial." Erwartungsgemäß ausgezeichnet funktionierte das SP-Fahrwerk mit der 41er-USD-Gabel von Kayaba inklusive DLC-Beschichtung, welche in Druck- und Zugstufe sowie in High- und Lowspeed verstellbar ist, wie auch das voll verstellbare Öhlins-Federbein, wenngleich der Ausgleichsbehälter etwas exponiert montiert wurde. Unentschieden.

Bis zu diesem Punkt performten beide Bikes, abgesehen von der generellen Geschmacksfrage, ob man die Charakteristik eines 4- oder 3-Zylinders bevorzugt, in Sachen Motorleistung, Bremserei und Fahrwerk tatsächlich auf dem gleichen hohen Niveau. Demgegenüber schlugen unsere Protagonisten bei der Geometrie, der Sitzposition und dem Handling zwei Wege ein, die nicht unterschiedlicher hätten sein können.

Z900 SE "Supersportler": Wohl dem breiten Motorblock geschuldet, landeten die Füße relativ hoch und weit hinten an den Z900 Rasten. Gut für die Schräglagenfreiheit, allerdings recht sportlich für den Kniewinkel. Positiv war die tief integrierte Sitzposition, die viel Kontrolle über das Naked Bike sowie eine sportlich-entspannte Oberkörperhaltung gewährt, welche sowohl eine chillige als auch agile Fortbewegung erlaubte. Auch der Lenker war weder zu hoch noch zu tief montiert. Man kann also wirklich von einem ausgewogenen Mix sprechen, weshalb in jeder Lage genügend Druck aufs Vorderrad möglich war. Dank des längeren Radstands und des eher flachen Lenkwinkels fuhr die Kawasaki wie auf Schienen und selbst nervöse Lenker können beim Umsetzen, Anbremsen und Herausbeschleunigen fast nichts falsch machen.

MT-09 SP "Supermoto": Auf der Yamaha saßen wir hingegen äußerst aufrecht, die Fußrasten waren in der Standard-Einstellung - ohne Einbußen an Schräglagenfreiheit - sehr komfortabel sowie zentral positioniert und der breite Lenker gierte geradezu nach Lenkimpulsen. Dazu gesellten sich ein kürzerer Radstand, der deutlich steilere Lenkwinkel und ein kurzer Nachlauf. Damit lässt sich die Yamaha fast schon wie eine Supermoto fahren, hat es aber auch bei sportlicher Fahrweise faustdick hintern den Ohren. Einzig auf der Rennstrecke fiel ihr extrem hoher Lenker negativ ins Gewicht, da er den optimalen Druck aufs Vorderrad erschwerte. Je größer der Pilot, umso schwieriger gestaltete sich das Andrücken. Außerdem sollten ungeübtere Piloten auf der Yamaha nicht allzuviel "herumturnen", da jeder noch so kleine Lenkimpuls prompt und ohne Vorwarnung umgesetzt wird. Summa summarum: Eine Macht im Großstadtdschungel, garantiert ein echtes Spaßgerät im wilden Kurvengeschlängel, etwas grenzwertig auf der Renne.

Rein von der Performance (Leistung, Bremsen, Fahrwerk) kann man mit beiden Bikes überhaupt nichts falsch machen. Die Kawasaki ist sicherlich das ausgewogenere Paket für die Landstraße und auch die Rennstrecke, hingegen besitzt die Yamaha das modernere Package, hat aber auch mehr Ecken und Kanten und kostet rund 900 Euro mehr. Wer öfters an Trackdays teilnehmen möchte, greift unserer Meinung nach ungeschaut zur SE- bzw. SP-Variante, weil sich der Mehrwert auf der Rennstrecke in jedem Fall rechnen sollte.

In puncto Motorcharakteristik, Sitzposition, Geometrie und Ergonomie driften beide Bikes allerdings derart auseinander, dass uns hier kein einheitliches Fazit möglich war. Mex präferierte eindeutig die Z900 SE, da er mit seiner Körpergröße optimal darauf Platz nehmen und mit seiner schärferen Gangart von der frontlastigeren Gewichtsverteilung, der stoischen Laufruhe und der linearen Leistungsentfaltung im oberen Drehzahlbereich deutlich profitieren konnte. NoPain hingegen kämpfte ein wenig mit dem sportlichen Kawa-Kniewinkel und fühlte sich schon alleine deswegen auf der MT-09 SP wohler. Überhaupt sagte ihm die aufrechtere Sitzposition, die agilere Geometrie und der mächtige Druck von unten mehr zu als die 4-Zylinder-Gesamtkomposition der Kawasaki. Der fehlende Quickshifter an der Kawa war dann schlussendlich sein KO-Kriterium. Dank modernster Elektronik und einer noch hochwertigeren Ausstattung war für ihn die MT-09 ohne Zweifel erhaben.

Fazit: Yamaha MT-09 SP Die edel ausgestattete Yamaha MT-09 SP bietet alle Möglichkeiten, ihr hervorragendes KYB- und Öhlins-Fahrwerk sauber an individuelle Bedürfnisse abzustimmen. Egal ob bei der sportlichen Landstraßentour, oder einem gelegentlichen Trackday - der Aufpreis ist unserer Meinung nach sein Geld wert und verspricht viele aufregende Kilometer. Laune macht außerdem die druckvolle Leistungsentfaltung, ein gegenüber dem Vorgänger verbessertes Getriebe und die optimierte Elektronik. Obwohl wir mit der Yamaha schnelle Rundenzeiten in den Asphalt brennen konnten, kam zum Vorschein, dass sich die herrlich agile Spaßmaschine, aufgrund der erhabenen Sitzposition und ihrer knackigen Geometrie, im alpinen Kurvengeschlängel deutlich wohler fühlt, als auf der flachen Rennstrecke bei Highspeed.

Fazit: Kawasaki Z900 SE Die Z900 ist ein spielerisch zu bedienendes Mittelklasse-Nakedbike, welches die flotte Gangart auf der Landstraße gleichermaßen grandios beherrscht, wie das bedingungslose Wetzen auf der Rennstrecke. Abgesehen von den bissigen Brembo M4.32-Bremsen, den Stahlflex-Leitungen und dem S46-Federbein von Öhlins mit hydraulischer Vorspannung und einstellbarer Zugstufe, schlägt besonders ihre durchdachte Ergonomie eine wunderbare Brücke zwischen den spezifischen Anforderungen der Rennstrecke und der Universalität des sportlichen Tourenalltags. Einziger Wermutstropfen ist und bleibt das Fehlen des Quickshifters, vom Ride-by-Wire und einem 6-Achsen-IMU, wenngleich die verbauten Fahrhilfen mit den beiden Power-Modi und der dreistufigen Traktionskontrolle durchaus ein Plus an Sicherheit bieten. Overall ist der Aufpreis dennoch sehr fair kalkuliert und verglichen mit den Kosten der hochwertigen Einzelteile ein Schnäppchen.

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